AUFKLÄRUNGSKAMPAGNE AM PROJECT-E HOSPITALITY INSTITUTE
In Äthiopien sind 65% der Frauen im Alter von 15-49 Jahren von weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) betroffen, das sind zwei von drei Frauen. Am höchsten ist die Prävalenz von FGM in den östlichen Regionen Äthiopiens, Somali und Afar mit 90-99% beschnittener Frauen. Und selbst in der Hauptstadt Addis Abeba sind schätzungsweise 55% der Frauen genitalverstümmelt.
Offiziell wurde die Praxis bereits vor mehr als einem Jahrzehnt von der äthiopischen Regierung kriminalisiert, und laut UNICEF ist das nationenweite Vorkommen von FGM in Äthiopien von 74% im Jahr 2005 auf 65% im Jahr 2017 gesunken. Es lässt sich demnach ein geringer Rückgang feststellen, dennoch sind trotz offizieller Verbote bis heute mehr als die Hälfte der Frauen in Äthiopien von FGM betroffen*. Die Gründe für die Legitimierung von FGM in unterschiedlichen Gemeinden sind vielfältig: z.B. psychosexuelle Gründe, wonach FGM als Instrument praktiziert wird, um die Kontrolle über die Sexualität von Frauen auszuüben und Jungfräulichkeit vor der Ehe zu gewährleisten. Oft gilt FGM als eine wichtige Voraussetzung für das Recht einer Frau, zu heiraten. Darüber hinaus gibt es Gründe in der Erhaltung des kulturellen Erbes, die oft durch abergläubische oder bestimmte religiöse Überzeugungen untermauert werden. In einigen Gemeinden wird FGM aus Gründen des ästhetischen Erscheinungsbilds praktiziert**. Doch wie kann ein Land sein wirtschaftliches und soziales Potenzial erreichen, wenn die Mehrheit seiner weiblichen Bevölkerung von FGM zurückgehalten wird – ein Ausdruck extremer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen?
Misikir Gebeyu, der Jugendberater von Marie Stopes Äthiopien und Gastdozent am PEHI während der Aufklärungs-Trainings, weist darauf hin, dass der Bruch mit tief verwurzelten kulturellen Barrieren eine große Herausforderung bleibt und FGM-Probleme “nicht durch die Bemühungen der Regierung allein gelöst werden können, sondern Organisationen, wie PROJECT-E, am Prozess beteiligt sein müssen”. Wir glauben daher an die kollektive Verantwortung der äthiopischen Zivilgesellschaft, sich für die Beendigung von FGM und die Verbreitung des Bewusstseins in den lokalen Gemeinden einzusetzen, um Mädchen und Frauen in Zukunft vor dieser gefährlichen Praxis zu schützen. Über einen Zeitraum von zwei Wochen haben wir mit den Studierenden des PEHI Sensibilisierungskurse durchgeführt – mit dem Ziel, die Schülerinnen über die Gründe für die FGM-Praxis, ihre physischen und psychischen Gesundheitsschäden, die Rechtslage und die bestehenden politischen Programme zu informieren, sowie mögliche Präventionsstrategien zu diskutieren.
Die äthiopische Regierung startete eine nationale Strategie für schädigende Traditionspraktiken (Harmful Traditional Practices, HTPs), in der ein größerer Fokus auf Bildungsarbeit gegen FGM durch die Arbeit lokaler und religiöser Organisationen gesetzt wird, da sie eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung von Gemeinden gegen HTPs spielen***. Die Studierenden des PEHI bewerten diese Regierungsansätze als einen bedeutenden Schritt und sagen, dass “die Regierung anfängt zu realisieren, dass unser Land so viele Frauen verliert, die viel Potenzial besitzen und Veränderungen in ihrer Gemeinschaft bewirken können. Damit sich das Land weiter entfalten kann, müssen Frauen gesund sein und dürfen nicht an FGM sterben, sondern als gleichberechtigte Teilnehmer*innen am Entwicklungsprozess mitwirken. “
Dennoch gibt es vor allem aufgrund der großen Scham, die oft mit FGM in Verbindung gebracht wird, einen Mangel an Konfrontation auf der Gemeindeebene und FGM-bezogene Praktiken verbleiben oft ignoriert, wie die PE Sozialarbeiterin Lemlem erklärt: “FGM ist ein sehr sensibles und oft tabuisiertes Thema. Aber die Kultur des Schweigens rund um FGM ist ein großes Problem in der äthiopischen Gesellschaft, und solange die Menschen nicht über diese gewalttätige Praxis sprechen, werden Gesetze und Politik allein sie nicht beenden können. Deshalb wollen wir, dass unsere Studentinnen das Schweigen über FGM brechen und sie ermutigen, in ihren Gemeinden und zu Hause Diskussionen zu führen, um eine Beendigung von FGM voranzubringen”. Es wird deutlich, dass trotz einer stärkeren Durchsetzung von Gesetzen und staatspolitischen Programmen zum FGM-Verbot eine kulturelle Reform durch Kommunikation unabdingbar ist. Intensivere Präventionsansätze sollten durch Sensibilisierungstrainings und Bildung in lokalen Schulen und Hochschulen verfolgt werden, um über die medizinische Seite zu informieren und über gesundheitliche Folgen von FGM aufzuklären. Darüber hinaus muss auf lokaler Ebene häufiger über die Auswirkungen von Genitalverstümmelungen diskutiert werden, und insbesondere sollten religiöse Führer oder Dorfälteste, die die wichtigste Entscheidungsmacht in den Gemeinden innehalten, konfrontiert werden. Dennoch müssen letztlich alle Akteure “gemeinsam gegen FGM kämpfen, bis es auf Gemeindeebene gelöst ist und das Bewusstsein in der Gesellschaft bezüglich FGM gestärkt ist”, sagt Misikir Gebeyu.
In diesem Zusammenhang teilte uns eine Schülerin ihre Botschaft nach der Aufklärungskampagne am PEHI mit: “Ich möchte den Menschen um mich herum und vor allem den religiösen Vätern sagen, wie schädlich FGM für das Leben von Mädchen ist, und dass es zu vielen Todesfällen führt. Mädchen können heutzutage unsere Landesführerinnen sein, sie werden auf der ganzen Welt gebraucht und dürfen nicht an FMG sterben. Wir sollten nicht weiter schweigen, sondern offen über FGM diskutieren! Wir müssen das Tabu lösen, die Gewalt brechen und das Wort an alle Frauen in unseren Familien und sozialen Kreisen verbreiten, dass FGM beendet werden muss!”.
#endingfgm
#ihavespoken
*28 Too Many (2018): Ethiopia: The Law and FGM, URL https://www.28toomany.org/static/media/uploads/Law%20Reports ethiopia_law_report_(july_2018).pdf. Central Statistical Agency (CSA) [Ethiopia] and ICF (2016): Ethiopia Demographic and Health Survey 2016, Chapter 16 FEMALE GENITAL MUTILATION/CUTTING, URL https://www.dhsprogram.com/pubs/pdf/FR328/FR328.pdf.
**UNFPA (2018): Female genital mutilation (FGM) frequently asked questions, URL https://www.unfpa.org/resources/female-genital-mutilation-fgm-frequently-asked-questions.
***Central Statistical Agency (CSA) [Ethiopia] and ICF (2016): Ethiopia Demographic and Health Survey 2016, Chapter 16 FEMALE GENITAL MUTILATION/CUTTING, URL https://www.dhsprogram.com/pubs/pdf/FR328/FR328.pdf.