In Äthiopien wird heute Neujahr gefeiert, was in vielerlei Hinsicht den Anbruch von etwas Gutem und Neuem symbolisiert
Wer noch nie in Äthiopien war oder sich bisher nicht näher mit den Traditionen des Landes befasst hat, wird wohl etwas stutzig, wenn er*sie hört, dass heute der 1.1.2013 ist. Die Äthiopier*innen feiern das Neujahrsfest, dessen Name auf Amharisch Enkutatash lautet und am 11. September (in Schaltjahren am 12.) des gregorianischen Kalenders eingeläutet wird.
Enkutatash bedeutet Juwelen-Geschenk und erinnert an die Legende, die sich um das Neujahrsfest rankt. Vor rund 3000 Jahren soll die Königin von Saba, Herrscherin über das antike Äthiopien und den Jemen, von ihrem berühmten Besuch des König Salomo in Jerusalem zurückgekehrt sein. Sie habe dem israelischen König Gold, Gewürze und Juwelen mitgebracht und sei, um ihre Schatzkammer wieder auffüllen zu können, bei ihrer Rückkehr von ihren Stammesanführern wiederum mit Juwelen, Amharisch enku, empfangen worden. Der Tag ihrer Ankunft in Äthiopien sei auf den Tag des Neujahrsfestes im September gefallen, das daraufhin Enkutatash getauft wurde.
Dass in Äthiopien nun vom 1.1., auf Amharisch vom 1. Meskerem und nicht vom 11. September die Rede ist, ist auf den äthiopischen Kalender zurückzuführen. Er ähnelt dem orthodoxen julianischen Kalender, dessen Jahr aus gleichgeteilten zwölf Monaten mit je 30 Tagen und einem dreizehnten Monat, dem Pagume, besteht. Der Pagume komplettiert mit seinen fünf (im Schaltjahr sechs) Tagen die 365 (bzw. 366) Tage eines Jahres. Und warum ist es nun 2013? Der fast achtjährige Unterschied zwischen dem ersten Monat des Jahres 2013 und dem neunten Monat des Jahres 2020 beruht darauf, dass der julianische und der gregorianische Kalender bei der Geburt Jesu von unterschiedlichen Daten ausgehen. Außerdem steht das neue Jahr in Äthiopien für das Ende der Regenzeit und somit den Beginn des guten Erntewetters. Graue, vernebelte Tage voller Regen und Gewitter werden hinter sich gelassen und die Zeit besseren Wetters mit Sonnenschein und blühenden Blumen wird gefeiert. Vor allem die Blüten des Meskel-Gänseblümchens bedecken große Flächen des Hochlandes und verleihen ihm einen nahezu goldenen Anstrich, der die Feierlichkeit des Enkutatash unterstreicht.
Für PROJECT-E, seine Studentinnen und Mitarbeitenden ebenso wie für andere Bildungseinrichtungen des Landes kommt dem neuen Jahr noch eine weitere Bedeutung zu. Der Meskerem ist der Monat des Schulbeginns, das äthiopische Schuljahr erstreckt sich im gregorianischen Kalender von September bis Ende Juni oder Anfang Juli des folgenden Jahres. Wegen der COVID-19-Pandemie waren zuletzt auch in Äthiopien die Schulen, darunter das PROJECT-E Hospitality Institute (PEHI), lange geschlossen, die äthiopische Regierung erklärte die Wiederöffnung der Schulen vor allem für die jüngeren Kinder für Ende September kürzlich aber nochmals zur höchsten Priorität.
Währenddessen läuft unser fünfteiliger Countdown, der auf das fünfjährige Jubiläum des PEHI am 3. Oktober hinführt, weiter herunter.
2015, bzw. 2008 im äthiopischen Kalender stand im Zuge der Entwicklung der Hotelschule ganz oben auf der Liste, die Eröffnung zum Schuljahresbeginn nach Neujahr zu gewährleisten, wie Livia Röthlisberger, die damals aktive Country Representative, erzählt. Bis wir im Interview mit Livia in Teil 4 von 5 der Jubiläumsserie mehr erfahren, wünschen wir ein frohes neues äthiopisches Jahr, Melkam Addis Amet und hoffen, dass die Pandemie der positiven Stimmung anlässlich des Feiertages, die für gewöhnlich Menschen unterschiedlichster religiöser und kultureller Hintergründe eint, keinen großen Abbruch tut!