Die äthiopische Radiomoderatorin Meaza Biru hatte als Kind niemals eine Karriere beim Radio im Sinn, da sie nie besonders gern im Vordergrund stand und nur wenig Vertrauen in ihr Talent fürs Schreiben oder Sprechen hatte. Nachdem sie in unterschiedlichen journalistischen Kontexten für verschiedene Institutionen arbeitete, als Pressereferentin tätig war und ein PR-Unternehmen gründete, ist sie heute Geschäftsführerin und Moderatorin des beliebten und erfolgreichen Radiosenders Sheger — und somit die dritte Frau, die Euch im Rahmen der Artikelserie „Zehn inspirierende äthiopische Frauen“ vorgestellt wird.
Meaza Biru wurde im Jahr 1958 in Addis Abeba geboren, wuchs dann aber in der kleinen Stadt Hirna in einer, wie sie selbst sagt, „wunderbar diversen Gemeinschaft“ auf. Da ihre Eltern als erfolgreiche Unternehmer:innen arbeiteten, beschreibt Meaza ihre Familie als eher wohlhabend. Sie erinnert sich, wie ihr lesebegeisterter Vater stets Zeitungen mit nach Hause brachte, mit denen er sie zum Lesen ermutigen und ihr zu verstehen geben wollte, dass er große Hoffnungen in sie setzte. „Obwohl er starb, als ich auf der High School war, motivierte mich sein Glaube an mich auch dann, wenn ich selbst an mir zweifelte.“, erinnert sich Meaza. Als sie nach der Grundschule ihr Zuhause verlassen musste, um ein katholisches Mädcheninternat zu besuchen, begann für sie eine schwierige Zeit, in der ihr das Lesen jedoch ein „ständiger Begleiter“ war. Für Wochenenden plante sie zwei bis drei Bücher ein und las Zeitungen wie Addis Zemen und Yezariyitu — „eine seltene Angewohnheit für ein Mädchen zu dieser Zeit“.
Im Jahr 1978, einer Zeit, in der die politische Situation Äthiopiens den Studierenden besonders Angst machte, da die Kampagne des „Roten Terrors“ des Derg-Regimes hunderttausende Tote forderte, machte Meaza Biru ihren Schulabschluss und schrieb sich an der Addis Ababa University ein, obwohl sie noch nicht genau wusste, worauf sie hinarbeiten wollte. Sie lebte in den Tag hinein und fand keinen großen Gefallen an der Uni, blieb aber wegen der Literaturkurse eingeschrieben. Im letzten Studienjahr kam sie durch puren Zufall zum ersten Mal mit dem Radio in Berührung, da Theaterstudierende ihre Mitbewohnerin für die Aufnahme eines Radiostücks abholen wollten. Diese war nicht da, also überredeten sie Meaza, die Rolle einzusprechen und der Startschuss für Meazas journalistische Karriere war gefallen. Nach ihrem Studienabschluss arbeitete sie zunächst für regierungsnahe Medien als Sportreporterin, Chefredakteurin des Magazins der äthiopischen Nationalbank und als Pressereferentin des Außenministeriums der neuen Regierung. Nebenbei war sie als freie Mitarbeiterin des Radio Ethiopian Ehud Programms tätig, des damals einzigen Senders, der sich der Unterhaltung und nicht allein der militärisch-revolutionären Regierungspropaganda verschrieben hatte.
Nach einigen weiteren Zwischenstationen bekam Meazas Ehemann die Gelegenheit, ein eigenes Radioprogramm auf die Beine zu stellen, die er gemeinsam mit Meaza und anderen Kolleg:innen ergriff. Aus der entstehenden Chewata-Sendung wurde später, am 3. Oktober 2007, Sheger FM, der eigene Sender Meazas und ihres Ehemannes. „Sheger musste ganz von Anfang an aufgebaut werden. Es war eine spannende und aufregende Zeit voller Höhen und Tiefen“, beschreibt Meaza. Zunächst war es nicht schwierig, sich von anderen Sendern abzuheben, weil es in Äthiopien nur zwei Alternativen gab. Heute aber, sagt Meaza, müsse Sheger immer aktuell und kreativ sein, weil andere Sender das Format kopierten. „Wir wollen den Hörenden etwas bieten, das sie noch nie gehört haben, woraus sie lernen können, das sie unterhält und zum Lachen bringt.“ Außerdem sei Sheger eine Plattform für die Hörenden und gebe all denen eine Stimme, die sonst nur selten gehört werden.
„Eine Frau zu sein geht in Äthiopien mit speziellen Herausforderungen einher. Ich glaube, dass äthiopische Frauen weit unterbewertet werden. Ich empfehle jungen Frauen und Mädchen dringen, sich entweder durch die Schule zu bilden, zu lesen oder sich gegenseitig etwas beizubringen. Sie sollten die Standards und Grenzen, welche die Kultur, Tradition, Religion oder Gesellschaft im Allgemeinen ihnen setzen, nicht akzeptieren. Sie sollten sich selbst auch keine Grenzen erschaffen. Sie sollten auf ihr Herz hören und verstehen, dass das, was sie wollen, Zeit braucht. Nicht alles geschieht immer gleich sofort.“