Seit Anfang Oktober hat PROJECT-E eine neue Country Representative in Addis Abeba. Marianne Siede war anderthalb Jahre lang als Freiwillige im Fundraising Team und vor Ort in Addis am PEHI aktiv – wie sie zur Stelle der Country Representative gelangt ist und welche Ziele sie für ihre Zeit am Institut in Addis Abeba am Institut verfolgt, erzählt sie im Interview.
Was hat Dich besonders daran interessiert, den Posten der Country Representative (CR) zu besetzen?
Insgesamt war es für mich immer klar, dass ich nach dem Abschluss meines Masterstudiums nach Äthiopien zurückkehren werde, um in einem ähnlichen Bereich oder Umfeld wie PROJECT-E (PE) zu arbeiten. Deshalb habe ich mich im vergangenen Jahr ganz auf dieses persönliche Ziel konzentriert. Ich habe sogar meine Masterarbeit dem Empowerment von Frauen in Äthiopien gewidmet und dabei PE als Best-Practice-Beispiel angewandt. So drehte sich plötzlich mein ganzes Leben um PE, das Institut in Addis Abeba und seine lokalen Akteure*innen.
Die Idee irgendwann mal CR zu werden kam mir zum ersten Mal bereits 2019, als ich ehrenamtlich am PEHI tätig war. Das ganze Institut, seine Dynamik, aber auch die organisatorischen Schwierigkeiten erinnerten mich sehr an meine frühere Arbeit. Ich hatte so viele Ideen im Kopf, die strukturelle und effiziente Veränderungen vorantreiben könnten.
In der Endphase meines Masterstudiums ergab sich die Gelegenheit, mich für die Stelle als CR zu bewerben. Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können, denn ich hatte das Gefühl durch meine Forschungsarbeit bereits in gewissem Maße vorbereitet zu sein. Darüber hinaus hoffe ich, dass mein deutsch-äthiopischer Familienhintergrund und meine bisherige Berufserfahrung große Vorteile sein werden, um in dieser neuen Rolle erfolgreich zu sein.
Was sind Dein akademischer Hintergrund, Deine Kenntnisse und was hast du gemacht, bevor Du nach Addis Abeba ans PEHI gekommen bist?
Mein Grundstudium der Internationalen Beziehungen habe ich in Deutschland, den USA und Frankreich absolviert. Danach habe ich zwei Jahre lang als Programmkoordinatorin im Bereich des interkulturellen akademischen Austauschs gearbeitet. Ich habe diesen Job wirklich geliebt, da ich so viel über mich selbst gelernt habe und er mir eine Vielzahl von Soft Skills vermittelte, insbesondere im Hinblick auf Zeit- und “Krisen”-Management. Darüber hinaus ermöglichte mir meine Arbeit, viele neue Orte zu entdecken, neue Themenfelder kennenzulernen und interessante Menschen und Unternehmen zu treffen.
Im Laufe der Jahre bin ich wirklich zu einer Expertin im Bereich der Erwachsenenbildungsprogramme geworden. Ich habe insbesondere gelernt, wie man sie entwickelt, koordiniert und evaluiert. Daher bin ich sehr dankbar jetzt wieder in einem ähnlichen Umfeld zu arbeiten, welches mir die Möglichkeit gibt, an vielen verschiedenen Themen mitzuwirken und mir gleichzeitig die Freiheit gibt, Probleme anzusprechen und an Lösungen zu arbeiten. Ich wache buchstäblich jeden Morgen mit einem breiten Lächeln auf, weil ich mich auf die Arbeit freue. Schon in so jungen Jahren seine Leidenschaft im Beruf zu finden, ist wirklich eines der größten Geschenke!
Welche Ziele hast Du Dir für Deine Zeit als CR gesteckt?
Eines meiner größten Ziele für das kommende Jahr ist es, an unserem Capacity Building für unsere Mitarbeiter zu arbeiten. Das PE-Team Äthiopien ist wirklich das Rückgrat und die treibende Kraft unseres Instituts. Das Engagement und die Loyalität der Angestellten gehen über ihre Pflicht hinaus! Aus diesem Grund bemühe ich mich, die Transparenz und Kommunikation zwischen den verschiedenen Mitarbeitenden-Ebenen zu verbessern, da andernfalls viele Missverständnisse, Unsicherheiten und ineffiziente Prozesse entstehen können.
Und obwohl ich meine Verantwortung sehr ernst nehme, sehe ich mich keineswegs als diejenige, die bei allen Entscheidungen das letzte Wort hat. Mein Ansatz besteht darin, dass sich alle an einen Tisch setzen, um Lösungen für ein gemeinsames Ziel zu finden. Ich glaube, dass Wissen der Schlüssel ist und dass Zuhören alle manchmal weiterbringt als willkürliche Entscheidungen.
Welche Eindrücke hast Du in Deinen ersten Wochen am Institut in Addis Abeba als CR erhalten?
Zunächst einmal war ich von der Resilienz unseres Teams sehr beeindruckt. Die globale Pandemie hat unsere Arbeit am Institut extrem zurückgeschraubt und erforderte in Zeiten der Unsicherheit viel Geduld. Doch die Pandemie ermutigte unsere Mitarbeitenden auch, über den Tellerrand hinaus zu schauen und kreative Wege zu entwickeln, um unsere Ausbildungsprogramme fortzusetzen und gleichzeitig die Motivation unserer Trainees aufrechtzuerhalten.
Was, glaubst Du, könnte besonders herausfordernd werden?
Insgesamt sehe ich die größte Herausforderung im Fortbestehen der globalen Pandemie und ihren Folgen in Bezug auf Vorschriften und Lehrkapazitäten. Aber es könnte ebenso fordernd werden, einen neuen Standort für unser Institut in Addis Abeba zu finden. Und dabei sicherzustellen, dass unsere Absolventinnen trotz des derzeitigen Einbruchs in der Tourismus- und Gastgewerbeindustrie eine Arbeitsstelle in diesem Sektor finden werden.
Teile uns gerne alles mit, wovon Du gerne noch berichten möchtest, seien es Erzählungen von bisherigen Erfahrungen oder von Dingen, auf die Du Dich besonders freust.
In meiner Masterarbeit prüfte ich, ob der Empowerment-Ansatz von PE als Vorbild dienen kann. Da ich nun wieder am Institut in Addis Abeba bin und mich mit lokalen Interessenvertretern*innen austausche, erweist sich meine Theorie als Realität und versichert mir, dass wir zu den wenigen Best-Practice-Beispielen hier in der Region gehören. Ich freue mich darauf, enger mit meinen Kollegen*innen zusammenzuarbeiten und von ihnen zu lernen, aber auch mit anderen lokalen Organisationen zu kooperieren, die die gleiche oder eine ähnliche Mission verfolgen. Letztlich hoffe ich, ein Netzwerk aufzubauen, in dem wir alle unser Wissen austauschen, Erfahrungen und Herausforderungen teilen und gemeinsam an größeren Zielen für die Zukunft der äthiopischen Frauen arbeiten können.