Während der weitverbreiteten gewalttätigen Ausschreitungen, die auf den Mord am Protestsänger und Songwriter Hachalu Hundessa folgten, wurden über 200 Menschen getötet und über 3500 festgenommen.
Der Musiker war eine einflussreiche Figur der Öffentlichkeit und kraftvolle politische Stimme für die Oromo, Äthiopiens größte ethnische Gruppe, die sich im Land lange politisch und wirtschaftlich ausgegrenzt fühlte. Seine Musik repräsentierte und drückte aus, was die Oromo als ihren historischen Ausschluss von politischer Macht beschreiben.
Tatsächlich wurden seine Lieder zur Melodie der Protestbewegung, die 2018 zum Niedergang der äthiopischen Regierung führte und deren Höhepunkt darin bestand, dass Ahmed Abiy noch im selben Jahr als erster Oromo den Posten des Premierministers übernahm.
Hundessa wurde am 29. Juli erschossen, als er mit dem Auto durch Vororte in Addis Ababa fuhr. Seine Ermordung hat Missstände auflodern lassen, die seit Jahrzehnten durch staatliche Repressionen angeheizt wurden, und hat schon immer da gewesene ethnische und religiöse Spannungen im Land verschärft.
Die folgende Gewalt und die Tode werden auf eine Kombination aus tödlicher Gewalt vonseiten der Sicherheitsoffiziere und interethnischer Gewalt zurückgeführt. Allgemeine Berichte über Plündereien von Haus zu Haus, Brandstiftung und brutale Morde kommen aus der Region Oromia, wo die Oromo-Jugend angeblich mit Knüppeln und Macheten Menschen anderer Ethnien ins Visier nimmt.
Bereits vor diesen Ereignissen hatten ethnische Spannungen den Premierminister Abiy vor große Herausforderungen gestellt, dessen Bemühungen, sich von den totalitären Praktiken seiner Vorgänger zu distanzieren und Raum für mehr Demokratie zu schaffen, seine Macht und seinen Einfluss ins Wanken gebracht hatten. Abiy wird nun vorgeworfen, auf die Taktik seiner Vorgänger zurückzugreifen: Seine Entscheidung am 8. April, die freien und gerechten Wahlen zu verschieben, um der Ausbreitung von COVID19 vorzubeugen; die Erlassung des Internetverbots der Regierung, um zu vermeiden, dass das Netz als Mittel zur Befeuerung ethnischen Hasses genutzt wird; und eine Welle von Verhaftungen prominenter Oppositionspolitiker*innen während der Hundessa-Proteste haben die Sorge vergrößert, dass der Prozess der Demokratisierung rückgängig gemacht wird.
Jetzt wo das Internetverbot am 23. Juli endlich aufgehoben und die zivilen Unruhen zeitweise niedergeschlagen wurden, war am 30. Juli ein Anstieg der COVID19-Fallzahlen zu verzeichnen, vermutlich bedingt durch die Schwierigkeit, während der Proteste die soziale Distanzierung einzuhalten.